Grundig
In Wien gehen die Lichter aus
Die Rettungsversuche für das Werk
in Österreich sind endgültig gescheitert. Die Produktion
wird nicht wieder aufgenommen. Wien - Am Montagabend beschlossen die Gläubiger des angeschlagenen Grundig-Konzerns im Zuge des Insolvenzverfahrens, die Fertigung in der österreichischen Hauptstadt einzustellen. Zur Begründung hieß es, vom deutschen Mutterkonzern gebe es keine Aufträge mehr. Im Wiener Werk war die Produktion bereits seit dem seit 10. April weitestgehend zurückgefahren worden. Die Hoffnung auf einen Investor, der ungeachtet der Finanzprobleme die Anlagen übernimmt, erfüllte sich nicht. Die verbliebenen 900 Mitarbeiter würden an diesem Dienstag über die ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsmittel informiert, heißt es. Anfang Mai wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Schuldenstand wird mit 160 Millionen Euro angegeben. Unklar war zunächst, was mit der in Auftrag gegebenen Produktion geschieht. Wie die österreichischen Nachrichtenagentur APA berichtet, wartet ein Auftraggeber auf 73.000 bestellte TV-Geräte. |
Grundig zieht sich nach 35 Jahren aus Österreich zurückWiener Werk war immer wieder in den SchlagzeilenDer deutsche Grundig-Konzern zieht sich mit dem Verkauf des Wiener Fernsehgerät-Werkes an den Industriellen Mirko Kovats nach knapp 35 Jahren aus Österreich zurück. Das Werk in Wien-Meidling hatte immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Zur 25-Jahre-Feier im Jahr 1993 zählte Grundig Austria noch rund 1.900 Mitarbeiter, heute hat sich der Stand auf rund tausend fast halbiert. Damals war die Rede davon, dass die "theoretische Kapazität" auf 2,5 Mill. Stück gesteigert werden könnte, zuletzt war nur mehr von rund einer Million erzeugter Geräte die Rede. Das Grundig-Zeitalter in Österreich wurde im Jahr 1968 eingeläutet, als die deutsche Grundig AG mit der Wiener Radio- und Fernsehgerätefabrik Minerva Radio W. Wohlleber Co die Wiener Traditionsmarke "Minerva" schluckte. Der deutsche Unternehmer Max Grundig, der als Prototyp für den Aufbau des deutschen Wirtschaftswunders galt, stand damals vor dem Höhepunkt seiner wirtschaftlichen Macht. 1970 brachte Max Grundig sein Vermögen in eine gleichnamige Stiftung ein, 1972 erfolgte die Gründung einer Aktiengesellschaft. 1978 war der Höhepunkt der "fetten Jahre". In über 30 Werken im In- und Ausland zählte Grundig 37.500 Beschäftigte und setzte 2,7 Mrd. DM (1,38 Mrd. Euro) um. Zum Vergleich: Für Mitte 2002 plante der Grundig-Konzern eine Mitarbeiterzahl von 4.700, davon rund 2.000 in Deutschland. Als der Grundig-Konzern 1984 (zunächst mit 31,6 Prozent samt industrieller Führung) vom holländischen Unterhaltungselektronikriesen Philips übernommen wurde, profitierte das Wiener Grundig-Werk von der Austrophilie der Philips-Verantwortlichen. Der Wahlösterreicher Hermanus Koning, der zuvor mehrere Jahre Generaldirektor von Philips Österreich war, wurde Vorstandschef bei Grundig und Aufsichtsratsvorsitzender bei Grundig Austria. In der folgenden Investitionsphase wurde der Ausstoß in Wien-Meidling in mehreren Schritten bis auf 1,2 Mill. Stück mehr als verdoppelt. Koning wurde für seine Verdienste um die heimische Industrie das große goldene Ehrenzeichen der Republik verliehen, und die Stadt Wien griff dem Standort mit Förderungen maßgeblich unter die Arme. In Wien wurden damals alle Bildschirmformate zwischen 13 Zoll bis zum "Jumbo"-Fernseher mit 95 cm Diagonale erzeugt. Derzeit werden Geräte ab einer Diagonale von 37Zentimetern gefertigt. Allerdings drückten neben der "japanischen Herausforderung" Ende der 80er-Jahre auch bereits die jungen Unterhaltungselektronikhersteller aus Südkorea auf die Marktpreise. Schon damals musste in Reaktion auf den steigenden Marktdruck versichert werden, dass das Wiener Grundig-Werk "unter keinen Umständen zugesperrt wird", wie der damalige langjährige Grundig-Austria-Chef Alfons Weinzerl im Jahr 1993 betonte. Grundig Austria antwortete mit einer weiteren Produktionsaufstockung auf jährlich 1,5 Mill. Farbfernseher, machte aber eine weitere öffentliche Förderung zur Bedingung. Damit wurde Wien die Produktionsmenge einer Grundig-Fabrik in Spanien (200.000 Geräte) überantwortet. 1994 schloss Grundig eine weitere TV-Gerätefabrik im französischen Creutzwald und verlagerte deren Kapazität auch nach Wien. Der bevorstehende EU-Beitritt Österreichs rief allerdings die französischen Politiker auf den Plan, und es wurde bei der Kommission Stimmung gegen die binnenmarktwidrigen Wiener Standortförderungen gemacht. Mit dem Erfolg, dass Grundig Austria (neben General Motors Austria) von der EU zu Strafzöllen verurteilt wurde. Diese kamen jedoch nicht zur Anwendung, da Grundig zwei Drittel der Förderung von 100 Mill. S (7,3 Mill. Euro) freiwillig zurückzahlte. Im Grundig-Konzern blieb inzwischen kein Stein mehr auf dem anderen. Philips sah sich aufgrund von Rekordverlusten Ende 1996 zu einem Rückzug auf die Position eines Minderheitsaktionärs genötigt, nachdem im Zeitraum von 1992 bis 1995 das "Abenteuer Grundig" die Holländer 1,5 Mrd. DM (767 Mill. Euro) gekostet hat und die Bilanz 1996 nochmals mit Verlustabdeckungen und Rückstellungen von 1,2 Mrd. Gulden (545 Mill. Euro) gerettet werden musste. Ende 1997 gaben Philips und die Grundig-Erben 95 Prozent des Traditionskonzerns an eine bayrische Auffanggesellschaft (u.a. Bayerische Vereinsbank und Hypo-Bank) ab, und der heutige Mehrheitseigentümer (89 Prozent), der Rosenheimer Antennenfabrikant Anton Kathrein, übernahm zunächst 25 Prozent. Im November 2001 verlagerte Grundig seine nicht-österreichische restliche TV-Geräteproduktion, unter massiven lokalen Protesten, vom Stammwerk Nürnberg-Langwasser nach Wien, was in Bayern 600 Arbeitsplätze kostete. Rund eine Million kleinere TV-Geräte wollte Grundig dafür mit einem Kooperationsvertrag beim türkischen Hersteller Beko Elektronik montieren lassen. Anfang November dieses Jahres waren dann die ersten Meldungen über eine drohende Schließung des Wiener Werkes aufgetaucht, die von der Grundig-Spitze in Deutschland freilich dementiert wurden. Als Kaufinteressent war neben Kovats auch eine Gruppe ehemaliger hochrangiger Grundig-Manager aufgetreten. Für Führung des finanziell angeschlagenen und hoch verschuldeten Konzerns ist die Trennung vom Wiener Werk ein Schritt zum Einstieg eines neuen Investors. Dabei dürfte es sich um die taiwanesische Sampo Technology handeln.
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